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Der Verein „Leben mit Krebs“ hat ein offenes Ohr für Betroffene: „Angehörige von Krebspatienten sind Mit-Patienten“

Man mag es kaum glauben: Noch immer gibt es Menschen, die der Auffassung sind, Krebs wäre ansteckend. Zum Glück nur ein Bruchteil. Aber der Umgang mit der Diagnose Krebs ist trotzdem häufig schwierig. Für Betroffene und auch für Angehörige, Freunde und Kollegen. „Leben mit Krebs“ gibt allen Raum zum Reden und Informieren.

Seit 35 Jahren ist der Verein „Leben mit Krebs“ aktiv und bietet Interessierten und Krebspatienten ein umfassendes Beratungsangebot sowie mehrere Selbsthilfegruppen für den persönlichen Austausch an. Einige Gruppen werden von Ärzten, Psychologen oder Experten für Sozialrecht begleitet. „Denn viele Patienten wissen gar nicht, welche Ansprüche auf Hilfsmittel sie haben oder was die Diagnose genau bedeutet. Wir helfen weiter“, erklärt Christel Lukaßen, Ehrenamtliche im Verein.

Tabuthema Krebs durchbrechen

Seit Kurzem gibt es eine Gruppe für Patienten unterschiedlicher Krebserkrankungen. „Letztendlich sind die Fragen, Probleme oder Ängste der Betroffenen alle sehr ähnlich, egal welche Diagnose“, so Susanne Heins, ebenfalls ehrenamtliche Gruppenleiterin. Dabei ist auch der Umgang jeder einzelnen Person mit der Krankheit ganz individuell. „Es gibt Menschen, die sind trotz fortgeschrittener Erkrankung sehr gefasst und andere dagegen haben gute Heilungschancen und sind am Boden zerstört.“ Alles ist menschlich. Der Verein versucht, Betroffenen einen geschützten Raum zu geben, in dem sie sich verstanden fühlen.

Reinhard Kostur leitet ebenfalls eine monatliche Selbsthilfegruppe. Seine Frau verlor den Kampf gegen den Krebs nach fünf Jahren. Er stand ihr bis zum Schluss zur Seite, fühlte sich aber von Freunden und Bekannten zum Teil im Stich gelassen: „Viele in meinem Umfeld waren einfach mit dem Thema überfordert und hatten plötzlich keine Zeit mehr für mich“, erzählt der pensionierte Lehrer. Deshalb ist es ihm so wichtig, nun selbst eine Anlaufstelle für Angehörige und Freunde von Krebspatienten zu bieten. Denn sie sind Mit-Patienten, wie er sagt.

Selbstfürsorge und ein Stück Normalität

Wer allerdings glaubt, die Gesprächsrunden wären ein Ort, an dem sich die Teilnehmenden nur weinend Taschentücher reichen, der liegt ganz falsch. „Bei uns gibt es auch viel zu lachen oder wir unternehmen was zusammen“, sagt Susanne Heins. „Beim Eisessen reden wir dann über ganz andere Themen.“

Suchst du Rat zum Thema Krebs und ein Gespräch auf Augenhöhe? Dann wende dich an:

leben-mit-krebs-bremerhaven.de

INFORMATIONSTAG ZUM THEMA BRUSTKREBS

Samstag, 12. Oktober 2024, 10-15 Uhr im t.i.m.e.Port II, Barkhausenstraße 2 (Eintritt frei)

Diagnose Brustkrebs – Herzkissen als kleiner Lichtblick

Etwa jede achte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Und ungefähr drei von zehn Betroffenen sind bei der Diagnosestellung jünger als 55 Jahre. Susanne Heins erkrankte 2008 mit 50 Jahren selbst an Brustkrebs. Nach ihrer Heilung rief sie 2013 das Herzkissenprojekt in Bremerhaven ins Leben. Hier erfährst du mehr über das ehrenamtliche Projekt und den Verein Leben-mit-Krebs e.V. in Bremerhaven.

Grußkärtchen an jedem Herzkissen

Jedes Jahr näht und stopft Susanne Heins‘ selbst gegründete Frauengruppe mit viel Engagement rund einhundert Herzkissen für Brustkrebs-Patientinnen. „Meistere jeden Tag so gut, wie es geht!“, steht unter anderem auf einem Grußkärtchen, das an einem bunten Herzkissen aus Baumwollstoff befestigt ist. Susanne Heins hat bei unserem Gespräch eine ganze Tasche voller Herzen mit Grußkärtchen dabei. Sie werden alle an die Brustkrebsstation des Klinikums Reinkenheide, die Palliativstation der AMEOS Klinik und ein Hospiz verteilt.

„Du bist nicht allein!“

Die Adressatinnen kennt die 65-Jährige nicht persönlich. Aber sie und ihre Helferinnen wissen, dass ihre Kissen Betroffenen einen kleinen Lichtblick in dunklen Zeiten schenken: „Jede Frau geht anders mit ihrer Krebserkrankung um. Manche sind Kämpferinnen, manche fühlen sich völlig hilflos nach der Diagnose. Wir wollen allen Brustkrebspatientinnen vermitteln: Du bist nicht allein!“

Herzkissen gegen Schmerzen

Die Stoffkissen sind aber nicht nur ein lieber Gruß. „Sie erfüllen auch einen ganz praktischen Zweck“, erklärt die Initiatorin. Bei Brustkrebs müssen meist Lymphknoten unter den Achseln operativ entfernt werden. Die Narbe schmerzt zum Beispiel, wenn man den Sicherheitsgurt im Auto anlegt. Unter die Achsel geklemmt, nimmt das Herzkissen den Druck.

Gemeinsam einander Gutes tun

Genäht und gestopft wird meist gemeinsam im gemütlichen Gruppenraum des Vereins „Leben mit Krebs e.V.“. Das Projekt ist auch deshalb sinnvoll, weil es nicht nur den Beschenkten, sondern auch den Ehrenamtlichen Freude bereitet. „Viele aus unserem neunköpfigen Team hatten selbst Brustkrebs“, so Susanne Heins. „Mit unserer Arbeit können wir anderen Betroffenen helfen und uns dabei gleichzeitig gegenseitig aufbauen und einander zuhören. Das gibt auch uns viel Kraft.“

Dringend gesucht: junge Ehrenamtliche

Der Verein Leben mit Krebs e.V. bietet Menschen mit Krebsdiagnose und Angehörigen ein umfangreiches Hilfsangebot. Neben verschiedenen Selbsthilfegruppen gibt es auch kostenlose psychoonkologische und sozialrechtliche Beratungsangebote sowie eine kleine fachspezifische Bibliothek. „Wir freuen uns sehr über Spenden“, betont die Gruppenleiterin zum Schluss, „genauso brauchen wir junge, engagierte
Menschen, die nachrücken und neue Projekte anstoßen.“ Interessenten können den Verein telefonisch unter 0471-9413407 kontaktieren.

Herzen aus aller Welt

Die Idee für die Herzkissen stammt übrigens ursprünglich von der Krankenschwester Nancy Friis-Jensen. Sie brachte das „Heart Pillow Project“ 2006 samt Schnittmuster aus den USA nach Europa. Mittlerweile gibt es ehrenamtliche Nähgruppen mit ganz viel Herz für Brustkrebsbetroffene in etwa dreißig Ländern.

Weitere Informationen zum Herzkissenprojekt in Bremerhaven und Hilfe für Krebspatienten gibt’s auf der Website von Leben mit Krebs e.V.