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Von der Werkstatt zum „Komplettanbieter“: Die Elbe-Weser Welten feiern im Oktober 2024 ihr 50-jähriges Bestehen

Viel hat sich getan in einem halben Jahrhundert. Aus einer kleinen Werkstatt für Menschen mit Behinderung ist ein vielschichtiges Unternehmen gewachsen, das verschiedenste Angebote zur Teilhabe für Menschen jeglichen Alters anbietet und hochwertige Produkte verschiedenster Art herstellt. Was die EWW so besonders macht, hat uns Geschäftsführer Robert Bau erzählt.

„Wir sind nicht nur eine Werkstatt. Wir sind die Elbe-Weser Welten!“ sagt Robert Bau ganz selbstbewusst. Bescheidenheit wäre hier auch fehl am Platz. Immerhin betreiben die EWW eine inklusive KITA, unterstützen 130 Kinder mit Beeinträchtigungen beim Schulbesuch, bieten unterschiedlichste Angebote zur Assistenz beim Wohnen und in der Freizeit. Zudem sind die EWW Träger des Integrationsfachdienstes. Ebenso bieten die EWW die Textilwelten mit der Wäscherei, die Grünwelten im Bereich Garten- und Landschaftspflege sowie die Genusswelten an. Dort werden die beliebten Fruchtaufstriche und Chutneys der Eigenmarke „Küstenschlemmerei“ hergestellt. Der 48-Jährige ist überzeugt: „Je vielfältiger das Qualifizierungsangebot ist, desto gerechter wird man auch den Wünschen der Klienten. Und desto eher finden sie einen Job, der zu ihnen passt.“ Die Elbe-Weser Welten beschäftigen mittlerweile rund 450 tarifgebundene Mitarbeitende.

Wie alles begann

Startschuss für die erste kleine Werkstatt in Bremerhaven war im Oktober 1974. Damals gab es das Internat in Debstedt für junge Menschen mit Behinderung. Die Frage war: Was passiert mit den jungen Erwachsenen, wenn sie ihre Schulausbildung beendet haben? So gründete sich ein Verein, der den Grundstein für die Werkstatt und die späteren Elbe-Weser Welten legte. Es folgten Wohn- und Bildungsangebote für Menschen mit geistigen, psychischen und körperlichen Einschränkungen, um ihre Lebensqualität und Weiterentwicklung zu verbessern. Die EWW werden von zwei Gesellschaftervereinen getragen: den Behinderteneinrichtungen e.V. und der Lebenshilfe Wesermünde e.V.

„Der entscheidende Anreiz für Menschen, die Unterstützung suchen, sind unsere vielfältigen Angebote in unterschiedlichen Lebensbereichen“, sagt Robert Bau. „Wir haben Lösungen für Menschen mit Behinderung und ohne, von Kindesbeinen an bis ins hohe Alter.“ Dazu zählen für die Jüngeren die integrative Kita und die Schulassistenz. Dabei geht es nicht darum, dem Kind alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, sondern seine Kompetenzen auszubauen und neue zu erlernen, auch auf sozialer Ebene.

Ein neuer Name musste her

Außerdem unterstützen die EWW das Projekt zur Berufsorientierung des Integrationsfachdienstes beim Übergang von Schule in den Beruf. Im Integrationsfachdienst sind zudem die Angebote: Arbeitsvermittlung, Berufsbegleitung, Arbeitstraining im Betrieb (ATiB), Berufsorientierung, Jobcoaching, Unterstützte Beschäftigung

Ein weiteres wesentliches Betätigungsfeld ist der Bereich Wohnen. Hier begleiten die EWW rund 220 Menschen mit unterschiedlichsten Assistenzbedarfen wie zum Beispiel in unseren Häusern „Walter-Mülich Haus“ und „Kleiner Blink“, in Außenwohngruppen oder aufsuchend in der eigenen Wohnung.

„All diese Entwicklungen führten 2019 dazu, dass wir unser ganzes Erscheinungsbild überarbeitet und nach einem neuen Namen gesucht haben“, so Robert Bau. Der damalige Unternehmensname „Elbe-Weser Werkstatt“ war einfach nicht mehr passend für die Bandbreite an Angeboten. So kamen die „Welten“ statt der „Werkstatt“ ins Spiel – auch um die etablierte Abkürzung „EWW“ beibehalten zu können.

Einflussnahme auf politischer Ebene

Robert Bau ist gelernter Heilerziehungspfleger und Diplom-Sozialwirt. Er will nicht nur innerhalb seines Unternehmens die Weichen für mehr Inklusion und Teilhabe stellen, sondern auch auf politischer Ebene. So trägt er zusätzliche Verantwortung als Mitglied der Vertragskommission SGB IX und als Verbandsratsmitglied des Paritätischen im Land Bremen ist Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der Werkstätten Bremen, ist im Vorstand der LAG Arbeit/Bildung/Teilhabe Niedersachsen und hat einen Sitz im Präsidium der Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten, wodurch er Netzwerke bilden und politischen Einfluss nehmen kann. „Es geht uns nicht darum, Menschen mit Beeinträchtigung in einer Werkstatt unterzubringen, sondern um Teilhabe am Arbeitsleben. Werkstatt ist ein Modell. Aber es gibt noch zahlreiche andere Möglichkeiten, diese Menschen in Arbeit zu bringen.“

Obwohl die äußeren Bedingungen für die Projekte der Elbe-Weser Welten in den vergangenen Jahren eher ungünstig waren – in Anbetracht von Corona und der Wirtschaftslage – blickt Robert Bau optimistisch auf die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Inklusion: „Früher waren die Angebote organisationszentriert. Heute sind sie personenzentriert. Das bedeutet: Wir schauen, dass jeder Mensch der uns anfragt das passende Angebot erhält. Und erfreulicherweise fruchtet die Aufklärungs- und Netzwerkarbeit, die wir leisten.“

Das Thema Teilhabe schlägt Wurzeln

Im Juni erst hat die Beratungsstelle zum Budget für Arbeit eröffnet. Hier können sich Menschen mit Behinderung über das Budget für Arbeit informieren, um so den Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden. So werden Vorurteile abgebaut und Wege der Inklusion geebnet. Die EWW stehen für eine gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in der Gesellschaft ein und leisten einen entscheidenden Beitrag zur Inklusion.

Mehr Informationen über die Elbe-Weser Welten

Ein Pflegegrad lohnt sich: Alle wichtigen Fragen vom Antrag bis zur Auszahlung

Ein plötzlicher Unfall, eine schwere Krankheit oder körperliche Einschränkungen im Alter können dazu führen, dass jemand Unterstützung im Alltag oder sogar stationäre Pflege benötigt. Das ist jedoch meist mit Kosten verbunden. Um diese durch die Pflegekasse zu decken, muss erst ein Pflegegrad für die Person beantragt und von der Kasse bewilligt werden. Hier erfährst du, welchen Nutzen ein Pflegegrad hat und wie die Antragstellung abläuft.

Was ist ein Pflegegrad?

Vor 2017 wurden Antragstellende in Pflegegrade statt in Pflegestufen unterteilt. Allerdings berücksichtigte dieses alte Modell die besonderen Bedürfnisse von Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz – zum Beispiel durch eine Demenzerkrankung – nicht ausreichend. Dies wurde mit der Einführung des Pflegestärkungsgesetz II (PSG II) und der Pflegegrade korrigiert. Insgesamt gibt es fünf Pflegegrade, in die Versicherte entsprechend ihres Hilfebedarfs eingeteilt werden. Je höher der Pflegegrad, desto mehr Pflegegeld und Pflegesachleistungen stehen dem Antragstellenden zu.

Wie sind die Pflegeleistungen gestaffelt?

Mit Pflegegrad 1 gibt es noch keinen Anspruch auf Pflegegeld oder Sachleistungen, aber immerhin einen Entlastungsbetrag von 125 Euro monatlich. Davon kann zum Beispiel eine Alltagshilfe entlohnt werden, die Einkäufe erledigt oder die Wohnung regelmäßig putzt. Diesen Entlastungsbetrag gibt es für jeden Pflegegrad. Die Geldbeträge für die Pflegegrade 2 bis 5 wurden Anfang 2022 angehoben und zum 1. Januar 2024 ein weiteres Mal. Antragstellende mit bewilligtem Pflegegrad haben die Wahl zwischen Pflegegeld und Pflegesachleistungen.

Was ist der Unterschied zwischen Pflegegeld und Pflegesachleistungen?

Welche Leistungsgelder ausgezahlt werden, hängt hauptsächlich davon ab, von wem eine Person gepflegt wird. Bei einer Betreuung durch Familienangehörige zu Hause hat der Krankenversicherte Anrecht auf ein monatliches Pflegegeld. Dies kann er beispielsweise für selbst beschaffte Pflegehilfen einsetzen oder an genau die Familienmitglieder weitergeben, die sich um ihn kümmern. Dadurch erhalten pflegende Angehörige, die aufgrund der vorliegenden Situation beispielsweise nur in Teilzeit arbeiten, einen finanziellen Ausgleich. Kommt ein ambulanter Pflegedienst regelmäßig ins Haus, dann werden dafür Pflegesachleistungen eingesetzt. Diese fallen deutlich höher aus als das Pflegegeld, da ein Dienstleister sein Personal für die geleistete Arbeitszeit mit allen Rechten, Pflichten und Lohnnebenkosten als Arbeitgeber beschäftigt.

Zweigleisige Lösung: die Kombinationsleistung

Auch eine anteilige Kombination aus Pflegesachleistungen und Pflegegeld ist möglich. Das entlastet zum Beispiel Angehörige, die nicht rund um die Uhr für ein pflegebedürftiges Kind da sein können. Ein Leistungsnachweis dokumentiert alle getätigten Dienste des beauftragten Pflegedienstes im Auftrag des Klienten. Das sorgt für Transparenz bei allen Beteiligten. Die Abrechnung erfolgt in der Regel direkt zwischen dem Pflegedienst und der Pflege- oder Krankenkasse. So können Hilfsbedürftige und betreuende Angehörige die Leistungen bestmöglich ausschöpfen und haben trotzdem wenig Verwaltungsaufwand.

Wie beantrage ich einen Pflegegrad?

Als Antrag reicht ein formloses Schreiben an die Pflegekasse, die bei der Krankenkasse des Versicherten angesiedelt ist. Antragsformulare bieten viele Kassen auch auf ihrer Website an. Im nächsten Schritt beauftragt die Kasse einen unabhängigen Gutachter des Medizinischen Dienstes. Dieser vereinbart einen Termin zum Hausbesuch. Im Gespräch wird dann anhand eines Fragenkatalogs ermittelt, wie selbstständig der Antragstellende seinen Alltag bestreiten kann.

Gut vorbereitet für den Medizinischen Dienst

Vor allem ältere Menschen sträuben sich häufig davor, Hilfe von außen anzunehmen und einen Pflegegrad zu beantragen – obwohl das Leben dadurch einfacher werden könnte. Auch für pflegende Angehörige. Aber vielen Senioren fällt es sehr schwer, sich mit den wachsenden körperlichen und geistigen Einschränkungen abzufinden und sich Fremden anzuvertrauen. Hier heißt es geduldig sein und Argumente im ruhigen Ton vorbringen. Das Familienmitglied soll nicht das Gefühl haben, das Entscheidungen über seinen Kopf hinweg gefällt werden. In jedem Fall muss der Pflegebedürftige kooperieren, damit der Medizinische Dienst einen Pflegegrad feststellen kann. Wer so tut, als würde er seinen Haushalt mit links erledigen, dem wird nur schwer Unterstützung bewilligt werden. Aber auch Übertreibung kann sich negativ aufs Gutachten auswirken: Einen „Schauspieler“ entlarvt ein Gutachter schnell!